Meine Hündin Annie ist eine besondere Hündin. „Klein, aber oho“, sagt es ganz gut. Sie kam erst mit fünf Jahren zu mir und hatte schon so einiges erlebt, bevor sie bei mir einzog. Beziehungsweise auch einiges nie kennengelernt, denke ich. Ihr Umzug vom kleinen portugiesischen Dorf in die deutsche Großstadt kann ich deshalb wohl gut als Kulturschock bezeichnen.
Sie stellte mich dann vor eine Menge Herausforderungen, mit denen ich – trotz der ausführlichen Lektüre vieler Bücher vor ihrem Einzug – nicht gerechnet hatte. Nun ist das erstmal nichts Außergewöhnliches. Wir können nur bis zu einem bestimmten Punkt die Dinge vorhersehen, die unseres Weges kommen werden, wenn wir uns auf etwas Neues und Unbekanntes einlassen. Das Ausmaß und die Heftigkeit unserer Probleme überforderte mich aber zu Anfang regelmäßig.
Ich verbrachte viel Zeit damit, mich noch schlauer zu machen, mich in Bücher zu vergraben, YouTube-Videos anzuschauen, in die Hundeschule zu gehen und Trainer:innen aufzusuchen. Dabei war mein Ziel kein geringeres, als das Leben mit meiner Hündin perfekt hinzukriegen, alle Probleme zu lösen und sorgenfrei mit ihr zusammenzuleben. Kein geringer Anspruch an mich selbst! Geschweige denn an meine Hündin.
Investition in eine PERFEKTE Zukunft – bis zur Selbstaufgabe!
Denn ich konnte es ja: Als meine Hündin bei mir einzog, war ich gerade arbeitssuchend und hatte deshalb besonders viel Zeit, um mich mit der sogenannten Hundeerziehung zu beschäftigen. Außerdem musste ich ja, so sagte es die Stimme in meinem Kopf, denn ich hatte ein Lebewesen bei mir aufgenommen, für das ich Verantwortung trage. Und ich sollte auch, denn die Rückmeldung der Menschen in meinem Umfeld, besonders der anderen Menschen mit Hunden, die wir trafen, signalisierte mir, dass ich noch lange nicht am Ziel war. Wollen tat ich auch, dachte ich zumindest, denn ich hatte mir den Hund ja freiwillig zugelegt, als Entscheidung aus freien Stücken und das gehört nun mal dazu.
Ich bin nicht allein damit
Wenn ich mich umschaue, bin ich nicht die Einzige, die diesen exorbitant hohen Anspruch an sich stellt. In den Hundeschulen, -seminaren und -kursen, in denen ich war, habe ich überwiegend Frauen wahrgenommen, die sehr bemüht waren, ihren Hunden Abwechslung zu bieten und über Training und Management das Leben so zu gestalten, dass es dem Hund wirklich gut, ja wenn nicht außerordentlich gut geht.
Und das manchmal bis zur vollständigen Selbstaufgabe – auch mir ging das so: Der Hund hat Angst vor Besuch? Gut, dann wird die Klingel abgestellt und Besuch nicht mehr empfangen. Der Hund hat zu lange Krallen, aber beißt um sich, wenn ich sie kürzen möchte? Gut, dann trainiere ich stunden- und tagelang, damit ich die Krallen schneiden kann. Der Hund hat Probleme mit Hundebegegnungen auf unseren Spaziergängen? Gut, dann gehe ich besondere Wege, zerbreche mir den Kopf, wie ich das Problem lösen kann und gebe Geld für Trainer:innen-Stunden aus.
Ich will damit nicht sagen, dass ich besser daran getan hätte, auf die Probleme meiner Hündin nicht einzugehen und sie überall mit hinzuschlörren und sie zu Sachen zu zwingen, vor denen sie Angst hat. Das soll hier nicht die Schlussfolgerung sein!
Ich frage mich jedoch, warum ich an mich den hohen Anspruch gestellt habe, das Leben meiner Hündin perfekt werden zu lassen, während ich nur noch aus dem letzten Loch pfiff und Hund und Mann anraunzte, weil ich keine Kapazitäten mehr hatte, entspannt und ruhig auf stressige Situationen zu reagieren. War das meine Idee und meine Entscheidung? Oder war ich vielmehr davon geleitet, dem Bild der perfekten Hundemutti zu entsprechen, deren Hund es wunderbar geht und deren Hund sich in allen Situationen einwandfrei benehmen kann?
Feminismus und Hundehaltung – das gehört zusammen
Seit Kurzem ist mir ein Zusammenhang klar geworden, den ich vorher nicht wahrgenommen habe, dabei sind mir die beiden Themen stets präsent: Feminismus und Hundehaltung. Und wie oben beschrieben, auch manchmal meilenweit entfernt, wenn ich da auf meine selbstausbeuterischen Zeiten blicke.
Es hat etwas länger gedauert, bis bei mir der Groschen gefallen ist und ich die Überschneidung der beiden Bereiche gesehen und gespürt habe. Im Sommerurlaub las ich aufgrund meines Lieblingsbuchclubs das Buch „Die Zentrale der Zuständigkeiten“ von der Philosophin Rebekka Reinhard. Viele Themen, die sie im Buch aufzeigt, kann ich auch auf mein Leben als Hundefrau münzen. Besonders bei dieser Aussage schreckte ich hoch und fühlte mich ertappt: Als „Zentrale der Zuständigkeiten“ weiß schon jedes weiblich gelesene Kind, dass die Frau alles kann. Das ist der Anspruch, den Gesellschaft an uns Frauen stellt und diesen Anspruch an uns selbst übernehmen wir meist erstmal unbewusst und richten unser Tun und Handeln daran aus. Dass wir alles können, bedeutet zugleich aber auch gemäß dem gesellschaftlichen Anspruch, den wir da übernommen habe, dass wir das auch alles müssen, sollen und wollen. Ich kann euch da auch das Thema Mental Load und Equal Care Day ans Herz legen.
Dieses Muster, alles was ich kann, auch zu wollen, sollen und müssen, sehe ich rückblickend auch bei mir, wenn ich mir anschaue, wie ich mit Problemen, die ich mit meiner Hündin hatte, umgegangen bin. Nicht dass ich da schon völlig drüber weg wäre. Auch in der Gegenwart bemerke ich es immer wieder – bin mir dessen aber jetzt bewusster und kann es deshalb auch getrost mal lassen.
Wie geht’s dir damit?
Ich bin mir sicher, dass dir noch weitere Punkte zu dem Thema einfallen. Wenn du möchtest, schreib doch deine Erfahrungen, die du gemacht hast, hier drunter als Kommentar. Du kannst mir auch gern jederzeit eine E-Mail schicken, wenn dir das lieber ist.
Apropos Feminismus: Podcast-Empfehlung
Eine Herzenspodcast-Empfehlung, wenn du tiefer in den Feminismus einsteigen möchtest: Feminismus mit Vorsatz
Laura Vorsatz nimmt dich mit auf die Reise, sich mehr mit Feminismus auseinander zu setzen. Was ich dabei besonders angenehm finde, ist, dass sie selbst auch mit auf die Reise geht und dadurch der Podcast total nahbar ist.